Reisen

Ostertage im Schnee

Hardangervidda, Norwegen, Foto: Martin Hülle

Seit einigen Tagen bin ich mal wieder aus Norwegen zurück, wo ich bei frühlingshaften Temperaturen eine weitere Skitour als Guide für das Reiseunternehmen Puretreks geführt habe. Vor unserem Aufbruch war ich in Sorge, wir könnten wegen der warmen Temperaturen auf Nordeuropas größter Hochebene, der Hardangevidda, von Regen überrascht werden. Doch wir hatten großes Glück: Nachdem wir in Finse aus dem Zug gestiegen waren, und uns 9 Grad warme Luft empfing, zog ein kleiner Schauer über uns hinweg – den Rest der Zeit blieb es trocken. Was aber nicht heißen soll, dass wir nicht auf anderen Wegen mit Nässe konfrontiert wurden. In den folgenden Tagen kamen wir gehörig ins Schwitzen und Schmelzwasser stellte sich uns in den Weg …

Nur in der ersten Nacht war es noch einigermaßen winterlich. Östlich des Søre Kongsnuten gab es leichten Frost und am Morgen danach wehte ein kalter Wind, der jedoch bald darauf einschlief und nicht mehr auftauchte. Gut, ab und an war noch ein Luftzug zu spüren, aber nichts, was wir auf dem sonst so stürmischen Hochplateau als richtigen Wind hätten bezeichnen können. Vielmehr war es oft völlig windstill und ein Genuss, sich auf den Steinen, die erwärmt von der Sonne zu Pausen einluden, zu räkeln.

Wir kamen gut voran. Der Schnee wurde im Laufe der Tage zwar immer feuchter, aber es rutschte gut. Das machten sich auch die Norweger zunutze, die an den Ostertagen zu Scharen auftauchten und kreuz und quer in alle Himmelsrichtungen durch die Bergwelt liefen. Die Fagerheim Fjellstue an der Reichsstraße 7 schien wie ein Ameisenhügel, von dem sie alle mit ihren Langlaufski ausschwärmten. Zwischen Krækkja und Heinseter fühlte ich mich dabei nahezu überrannt. Wohin wir auch schauten, erblickten wir überall Familien, Senioren, Kinder, Sportive, Skiwanderer und Skiläufer, einfach alle, die sich das traumhafte Wetter nicht entgehen lassen wollten und von denen sich manche gar die Aprilsonne auf den fast nackten Leib schienen ließen. Mir wurde das zu bunt. Das Gefühl nordischer Einsamkeit war in Gefahr. Also bogen wir vor Heinseter ab, ließen die markierte Ameisenstraße links liegen und suchten uns selbst unseren Weg zwischen Midtselstjønnhovda und Selstjønnutan hindurch.

Auf dem weiteren Weg Richtung Rauhelleren war es dann, wo der Frühling schon am weitesten Einzug gehalten hatte. Mancher See schien nur noch fragil vereist, Bäche sprudelten und schneefreie Flecken zwangen uns zu einem Zick-Zack-Kurs. Nordöstlich des Midnuten gab es dann kein drumrum mehr und wir mussten mit Ski und Pulka-Schlitten einen Fluss durchschreiten. Zum Glück nicht tief und nur wenige Meter breit.

Zurück gen Finse, entlang Stigstuv und Dyranut, nahm die Schneedecke wieder zu, über die allerorts Lemminge huschten. Wir taten es ihnen gleich und gelangten an der Kjeldebu und dem Finnsbergvatnet vorbei zurück zu unserem Ausgangspunkt. In den 6,5 Tagen benötigte ich nur selten Handschuhe und Mütze. Meist nur abends und morgens im Zelt. Viel wichtiger war ein guter Sonnenschutz, um sich nicht das Gesicht zu verbrennen. Doch wie am Anfang, als der kurze Regenschauer am Bahnsteig über uns hinwegzog, wurde es auch nun wieder dunkel und düstere Wolken schoben sich von Westen heran, die nichts Gutes verhießen. Zwar umkurvten wir die letzten Schmelzwasserseen trockenen Fußes, doch Nässe von oben schien im Anmarsch.

Über Nacht allerdings, in der wir der DNT-Hütte in Finse den Vorzug gegenüber unseren Zelten gaben, lösten sich alle Wolken auf und machten Platz für einen weiteren strahlenden Tag mit blauem Himmel. Darauf hatten wir gehofft, lockte vor der Rückreise doch noch eine schnelle Runde über den Hardangerjøkulen. Fix ging es nach dem Frühstück zur Apfelsinenhütte und weiter steil hinauf zur Jøkulhytta am Rande des weitläufigen Eisplateaus. Von dort folgten wir in einem Bogen den Markierungen über Norwegens sechstgrößten Gletscher, bevor wir auf ausnahmsweise einmal hartgefrorenem Schnee wieder mehrere hundert Höhenmeter hinabrutschen konnten zum See Finsevatnet, einem Abendessen im Hotel Finse 1222 und dem Nachtzug zurück nach Oslo.

Die Hardangerjøkulen-Runde war der krönende Abschluss einer Tour, die zwar im Schnee stattfand, aber mal nicht den harschen winterlichen Charakter hatte, wie ich ihn von vielen anderen Skiwanderungen in der Region kenne.

Die Route
Finse – Krækkja – (Heinseter) – Rauhelleren – Stigstuv – Dyranut – Kjeldebu – Finse – (Hardangerjøkulen Runde)

> Durch Sturmwind und Tiefschnee (die Geschichte einer weiteren Puretreks-Skitour)

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