Fotografie Reisen

Allein im Paradies

Allein im Paradies, Foto: Martin Hülle

Es passiert mitten in Reinheimen. Aus dem Nichts schießt mir ein Schmerz in den Rücken. Meinen schweren Rucksack kann ich allein nicht mehr aufsetzen. Meine Frau muss mir dabei helfen, ihn auf den Rücken zu wuchten. Einmal unterwegs, ist es erträglich. Doch wenn ich in einem Altschneefeld einsacke oder über einen Stein stolpere, fährt das Grauen durch meinen Körper. Am Abend bin ich steif von der Lauferei.

Werde ich zu alt für diese Strapazen? Bald drei Jahrzehnte breche ich immer wieder in die Wildnis auf. Eine Sucht, unstillbar, überlebenswichtig. Aber so langsam hinterlässt sie Spuren.

Die letzten Tage in Norwegen sind voller Zweifel. Einmal nicht mehr aufbrechen zu können, das Glück zu verlieren, tagelang in Abgeschiedenheit unterwegs zu sein, macht mir Angst.

Wieder daheim unternehme ich kleinere Wanderungen, versuche, Lockerheit zurückzugewinnen. Eine Solotour im hohen Norden Schwedens habe ich noch geplant. Ich verschiebe sie auf den spätmöglichsten Zeitpunkt, gehe das Risiko ein, vom einbrechenden Winter überrascht zu werden. Doch ich will noch so viel Zeit wie möglich haben, um einigermaßen wieder auf die Beine zu kommen.

Aber selbst in den letzten Tagen vor meiner Abreise plagt mich der Rücken. Jeden Morgen redet er vehement auf mich ein, den ganzen Kram sein zu lassen. Mit Wärmflaschen bringe ich ihn zum Schweigen. Als wenn ich auf ihn hören würde.

Voller Ungewissheit fliege ich nach Stockholm und fahre mit dem Nachtzug viele Stunden dorthin, wo seit meinen ersten Schritten auf dem Kungsleden ein Teil von mir zu Hause ist.

Über Adolfström, am Ende aller Straßen, legt sich bereits die Dämmerung. Ich miete eine winzige Hütte für eine Nacht, laufe noch kurz zum See Iraft und betrachte die herbstlich bunten Wälder. Morgen geht es los. Allein ins Menschenleere.

Zu Füßen des Fjälls kehrt die Zuversicht zurück. Hoffnungsvoll blicke ich den Tagen in der Einsamkeit entgegen.

Die Luft ist klar. Die Gedanken rein.

Für einen Tag bricht der Winter über mich herein. Dicke Flocken nehmen die Sicht. Doch ich fühle mich geborgen in diesem Kokon.

Ich blicke zurück auf Jahre des Glücks. Immer wieder loszuziehen, die Kraft der Natur zu spüren, zu scheitern und zu wachsen, ist ein Spiegel meiner Seele.

Fotografiert mit der FUJIFILM X-Pro2 und dem XF23mmF2 R WR sowie dem XF50mmF2 R WR

Aus dem Projekt und Fotobuch Another Time, Another Place.

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