Ausrüstung Fotografie Reisen

The Old Man of Storr

The Old Man of Storr, Schottland, Foto: Martin Hülle

Nachdem ich der alten Brücke von Sligachan den Rücken gekehrt hatte, lief ich über den Skye Trail weiter nach Portree. Das nächste fotografische Highlight sollte der Old Man of Storr sein, diese weithin sichtbare Felsnadel, rund 50 Meter hoch und durch Erdrutsche entstanden. Wieder so ein „Hotspot“ – von Touristen heimgesucht wie kaum ein anderer Fleck auf der Isle of Skye und der Halbinsel Trotternish. Und auch so ein Postkartenmotiv, das an jeder Ecke auftaucht. Egal ob Buchshop, Outdoorladen oder Tankstelle. Der Blick über den Alten Mann und den danebenliegenden Needle Rock, mit den Storr Lochs im Hintergrund, ist ein Klassiker. Dieses Bild hatte ich ebenfalls im Kopf und auf meiner Liste der Must-haves. Obwohl man es unweigerlich allerorts sieht, wollte ich es trotzdem im Kasten haben. Vielleicht auch gerade deshalb – denn ohne geht Skye einfach nicht. Und da der Old Man of Storr sowieso direkt an der Wanderstrecke liegt, sollte auch kein großer Aufwand nötig sein …

Also machte ich mich von Portree über die Küstenvariante des Trails auf zu den Felsen. Vom Parkplatz an der Staffin-Road geht es schließlich das letzte Stück durch den mittlerweile abgeholzten „Storr-Wald“ auf einem gut ausgebautem Pfad hinauf in die zerklüftete Bergwelt. Neben den vielen Tagesausflüglern, die teils in Schlappen den matschigen, steinigen Weg in Angriff nahmen, schleppte ich als einziger einen großen, vollbepackten Rucksack. Ich wollte direkt am Ort des Geschehens zelten. Während des Aufstiegs goss es mal wieder in Strömen. Langsam stieg ich daher empor, um unter der Regenjacke nicht zu sehr zu schwitzen. Angekommen in der bizarren Felsenlandschaft machte ich mich gleich auf die Suche nach einem geeigneten Zeltplatz. Bäche fand ich keine, nur einen kleinen See, der mir Trinkwasser spenden musste. Allerdings ist die Gegend fast ausnahmslos buckelig. Und an den wenigen, einigermaßen flachen Stellen, triefte der Boden vor Nässe. Ich lief hin und her, prüfte und verwarf. Dann erst fand ich doch noch eine gute Ecke. Gerade groß genug für mein winziges Zelt. Nicht absolut eben, aber dafür schön trocken und durch einen dicken Felsbrocken vor Wind geschützt. Direkt darüber ragte der Old Man of Storr in den Himmel. Würde er umkippen, sähe es nicht gut für mich aus. Was soll’s? Ich dachte mir, der steht schon so lange so da, da wird er auch noch etwas länger so stehenbleiben. Der Regen hörte wieder auf, Wolken zogen durch, verhüllten die Berge. Am Abend drehte ich dann noch eine kleine Runde, machte erste Bilder und genoss den friedlichen Ort, nachdem gegen 20 Uhr endlich Ruhe einkehrte und ich allein zurückblieb, alle anderen wieder abstiegen zu ihren Autos. Ich blickte hinaus aufs Meer, lauschte der Stille, blökenden Schafen und Vogelgezwitscher.

Ich hoffte auf Morgensonne. Doch die kam nicht. Dafür früh die ersten Leute aus dem Tal herauf. Ich wartete ab, frühstückte erstmal. Was tun? Der Weiterweg über die Trotternish Ridge schien wenig sinnvoll. Zu mies das Wetter, oder? Um 11 Uhr fiel eine Entscheidung – für ein paar Stunden ging von da an die Welt unter. Es fing an zu regnen und zu stürmen. Unaufhörlich. Ich saß fest. Mein Zelt wurde durchgerüttelt und es prasselte darauf ein. Langsam vergingen die Stunden – mit Musik, Tee, Keksen. Erst als sich am späten Nachmittag das Wetter beruhigte, machte ich mich fertig und auf den Weg. Holte neues Wasser am See und drehte wieder eine Runde um die Felsen. Ich stieg rauf zum Fuß des Alten Mannes, ließ eine Graupelschauer über mich ergehen und lief noch weiter hoch zu einem kleinen Aussichtshügel, von dem man diesen typischen Blick hat über den Old Man of Storr und den Needle Rock. Sogar die Sonne lugte am Abend noch hervor, nur kommt sie da aus der falschen Richtung. Der frühe Vogel fängt den Wurm, ist das Gebot des Ortes, um die gewünschten Aufnahmen zu bekommen. Nicht das letzte Licht – dennoch konnte ich mich kaum losreißen. Ich sog alles in mich auf. Es wurde spät. Und kalt. Mit klammen Händen und steifen Fingern drückte ich trotzallem immer wieder auf den Auslöser. Nutzte jede Gelegenheit, die sich mir bot.

Tja, so ging ein Tag dahin, ohne dass ich auf dem Skye Trail vorangekommen wäre. Noch an dieser Stelle die gewünschten Bilder hätte machen können. Nun blieb mir als letzte Chance der folgende Morgen – danach würde es heißen: Weiterziehen! Ob mit oder ohne Traumbild in der Tasche …

In der Nacht stürmte es. Und schneite. In der Früh war es etwas weiß ums Zelt. Aber als die Sonne immer mal wieder zum Vorschein kam, wollte ich nichts verpassen. Rein in die Klamotten und geschwind los mit den Kameras. Rauf zu den guten Stellen, mit Blick über die Felsen und hinaus über den Loch Leathan und den Sound of Raasay. Graupel- und Schneeschauern zogen mal wieder über mich hinweg. Dazu ein Wind, der es mir erschwerte, stillzustehen und die Kamera ruhig zu halten. Abwechselnd machte ich Fotos mal mit der Fujifilm X-Pro1 und dann der X100S. In der großen Hoffnung, dass irgendetwas Gutes dabei sein würde. Ich suchte nochmal einen anderen Standort auf, wollte nichts ungenutzt lassen. Wartete. Auf gutes Licht. Diesen Strahl Sonne, der die vor mir liegende Landschaft genau im richtigen Winkel beleuchtet. Aber so richtig kam er nicht – irgendwas lag immer recht trostlos im Schatten. Als ich sah, wie die ersten Ausflügler wieder heraufkamen zum Old Man of Storr und diesen bald umlagerten, machte ich mich auf den Rückweg zum Zelt. Ich hatte alles versucht, hatte viel Zeit an diesem faszinierenden Ort verbracht. Und was ich nun im Kasten hatte, war Ausdruck des Augenblicks. Wie er war. Mit Wolken, weniger Licht, mehr Schatten und auch etwas Schnee. Nicht ganz das, was in den Läden verkauft wird. Diese fast schon überhöhte Schönheit, die man nur mit äußerst viel Glück zu Gesicht bekommt. Oder enormer Geduld. Beides hatte ich nur in Maßen. Mir blieb allein die Möglichkeit, mit den Bildern meiner Momente zu gehen.

Zurück am Zelt kam der Regen wieder. Ich packte alles zusammen und verließ den Ort. Auch an diesem Tag nicht über die Trotternish Ridge – dafür blieb das Wetter weiterhin zu schlecht. Stattdessen lief ich im Sauseschritt hinab zum Parkplatz und von dort der Straße entlang weiter nordwärts, um später wieder auf den Skye Trail zu schwenken. Vieles lag noch vor mir. Weitere spannende Fotomotive, auf die ich mich ebenso freute. Wie Quiraing. Oder Hunish, die Nordspitze der Insel. Vielleicht nicht so spektakulär wie der Alte Mann und sein Nachbar, der Needle Rock. Aber trotzdem war es lohnend, sich auch noch dorthin aufzumachen …

Nachfolgend das Foto nochmals in seinem korrekten Seitenverhältnis von 3:2 – entgegen dem Aufmacher in 16:9 … (PS: Klick aufs Bild macht groß).

Die kalten Fakten
Fujifilm X100S, ISO 800, 1/1500s, Blende 8, Adobe Photoshop CS6 (ACR), VSCO Film 02

Aus dem Projekt und Fotobuch Mein Norden.

Dir gefällt mein Blog oder Du möchtest meine Arbeit unterstützen? Dann spendiere mir einen Kaffee :-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert