Radfahren habe ich erst spät gelernt. Mich als Kind in den Ferien an der Nordsee zwischen schmalen Straßen und Feldern im Graben wiederzufinden oder im Münsterland einen Abflug über den Lenker zu machen, weil ich vom Weg abgekommen war oder eine Kurve nicht bekommen hatte, trug meiner Sicherheit auf zwei Rädern nicht bei und ich war lange skeptisch, ob diese Fortbewegungsart für mich das Richtige sei. Aber ich erinnere mich hingegen auch gut daran, wie meine Eltern mit mir und meiner Schwester Ausflüge in die Hildener Heide unternahmen. Das Auto auf dem Parkplatz unter dem Sandberg abgestellt, die Räder vom Dachgepäckträger gehievt und los ging es. Dort durch den Wald zu kurven, machte Spaß – langsam wurde das Fahrrad doch noch ein Freund.
Diese Erlebnisse liegen lange zurück, sie kamen mir aber wieder in den Sinn, als ich vorigen Mittwoch erneut in die Hildener Heide geradelt bin. Zuerst über die Nordbahntrasse quer durch Wuppertal, dann kurz auf die Korkenziehertrasse und von dort durchs Ittertal zum bekannten Sandberg. Einmal angekommen, flitzte ich kreuz und quer auf mal breiteren, mal schmaleren Wegen durch die Natur. Pure Freude mit Bulli, wie ich mein noch recht neues Gravelbike genannt habe. Seit ein paar Wochen drehe ich damit Runde um Runde und genieße die Faszination Schotterfahrrad. Dabei war es bis hierher ein langer „Radmarathon“ …
Von Kettler zu Focus
Nach meinen Anfängen auf ulkigen Klapprädern war mein erstes richtiges eigenes Fahrrad ein Kettler Alu-Rad. Das muss Ende der Achtziger gewesen sein. Das Rad im Design damaliger Mountainbikes, allerdings nur mit 6-Gang-Schaltung, dafür jedoch mit Schutzblechen, Licht und allem Pipapo ausgestattet. Darüber hinaus war es tonnenschwer.
Erleichterung und Fortschritt brachte mein zweites Rad, ein Trekkingbike von Kuwahara. Mit ihm war die Verkehrstauglichkeit dahin, stattdessen hielten Körbchen an den Pedalen Einzug. Das Fahrrad war schnittig und mit ihm legte ich zum ersten Mal Tagesetappen jenseits der 100 Kilometer zurück.
Als nächster Schritt lag ein Rennrad in der Luft, doch es wurde stattdessen aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen ein richtiges Mountainbike. Anfang 1997, als noch niemand ahnte, dass Jan Ullrich in diesem Jahr die Tour de France gewinnen würde, entschied ich mich für ein Stumpjumper von Specialized. Ein klassisches Hardtail jener Zeit. Damit abseits der Straßen unterwegs zu sein, war schon cool. Doch wenn es so richtig schmal und unwegsam wurde, war ich schnell überfordert. Noch immer ließ meine Radbeherrschung zu wünschen übrig. Daher nutzte ich das Bergrad immer häufiger nur auf Asphalt, zog irgendwann sogar Slicks auf und dachte mir, dass ein Renner doch die bessere Entscheidung gewesen wäre. Vorerst verlor ich über die Jahre das Radfahren jedoch vermehrt aus den Augen …
Bis der Traum von einem Rennrad erneut in mir keimte. Allerdings wollte ich etwas Universalität weiterhin haben, weshalb ich vor sechs Jahren zu einem Crossrad von Cube griff (der Gravelhype schwappte erst kurz darauf aus den USA zu uns herüber). Die Geometrie des Cross Race Pro ist jedoch sehr sportlich und agil mit ziemlich kurzem Radstand. Kam ich damit auf der Straße bald einigermaßen gut zurecht und nahm auch an ein paar RTFs teil, fühlte ich mich mit dem Teil im Gelände allerdings nicht sicher. So wurde das Querfeldeinrad für mich zu einem reinen Renner, von wenigen harmlosen Schotterpassagen abgesehen. Das war einige Zeit okay, aber letzten Endes doch nicht das Gelbe vom Ei.
Schließlich kamen ein paar Dinge zusammen. Im letzten Jahr machten meine Knie auf einer Trekkingtour mit schwerem Gepäck erstmalig Probleme. Ich dachte darüber nach, wie lange ich dieser Leidenschaft wohl noch nachgehen kann und ob nicht Radreisen irgendwann mal eine Alternative sein könnten. Plötzlich schwebten mir Bikepacking-Touren mit einem Gravelbike vor. Und als dann mein Orthopäde und eine Physiotherapeutin meinten, ich solle meine Beinmuskulatur aufbauen, damit darüber meine Knie auf zukünftigen Wanderungen entlastet werden, war klar, dass ein neues Rad her muss …
Verguckt hatte ich mich sofort in das Atlas von Focus, über das ich zuerst bei Erika Dürr aka Ulligunde gestolpert war. Allerdings ist es dieser Tage oftmals gar nicht so einfach, sein Wunschrad zu bekommen. Als dann aber Mitte März bei einem Versender kurzzeitig ein paar Stück verfügbar waren, griffen meine Frau und ich sofort zu (ja, sie hat jetzt auch eins). Da unsere Tochter mittlerweile ebenfalls ein „großes“ 26-Zoll-Rad besitzt und kein klitzekleines Kinderrädchen mehr, können wir nun feine Familienfahrten unternehmen und sind ab sofort fahrradtechnisch vom Tagesausflug bis zur Radreise in jeglichem Gelände gerüstet …
Radfahren macht glücklich
Seit das Atlas 6.8 eingetrudelt ist, nutze ich jede freie Minute, mit dem Schotterfahrrad durch die Lande zu pesen. Und dabei ist es ganz egal, ob schnelle Straßenrunde oder „anspruchsvolle“ Geländefahrt. Ich bin erstaunt, wie vielseitig so ein Gravelbike tatsächlich ist. Bevor es ankam, dachte ich noch, ich bräuchte irgendwann zusätzlich vielleicht doch mal noch ein richtiges Rennrad. Aber seit ich mit dem Focus unterwegs bin, ist dieser Gedanke wie weggeblasen. Zu viel Spaß macht es, damit aufzubrechen und die Wege auf mich zukommen zu lassen. Keines meiner früheren Räder war so universell. Auf Asphalt erkenne ich keinen Unterschied zu meinem vorherigen Crosser (im Gegenteil – durch den längeren Radstand des Gravelbikes und die entspanntere Geometrie fühle ich mich auch dort sicherer) und auf losem Grund eröffnen sich ganz andere Streckenmöglichkeiten.
Ich bin begeistert. Und momentan oft dabei, meine früheren Mountainbikerouten mit meinen danach meist gefahrenen Rennradstrecken zu verknüpfen. Oder einfach Neues zu entdecken. Dabei ist es wurscht, wenn ich mich in allzu ruppigem Terrain mal festfahren sollte. Dann schiebe ich das Rad halt ein paar Meter, hieve es über umgestürzte Bäume oder quere brückenlose Bäche. Verlorene Zeit hole ich auf einer nächsten Asphaltpassage ohnehin wieder rein ;-)
Aktuell kann ich mir für mich kein idealeres Rad vorstellen. Damit unterwegs zu sein, ist ein wahres Vergnügen. Zwar stehen noch keine längeren Bikepacking-Abenteuer an, aber ein paar lange Tagesherausforderungen habe ich schon ins Auge gefasst. Wie den Kölnpfad rund um die Domstadt in einem Rutsch oder eine Kombination aus Ruhr-Sieg-Radweg und Bergischem-Panorama-Radweg von Meschede über Olpe zurück nach Wuppertal. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Auf geht’s!
Gravelt Ihr auch schon oder mit was für einem Fahrrad seid Ihr noch unterwegs? Berichtet gerne in den Kommentaren!
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Radfahren macht glücklich, darauf kommt es an. Deine Geschichte ähnelt auch meiner, in der ich lange überlegt habe, was das ideale Fahrrad für mich sein kann. Eigentlich habe ich mich für ein Flatbar-Gravel-Bikepacking-Rad entschieden. Da ich schon von Kindesbeinen an im Wald mit allen möglichen Rädern Spaß hatte, ist meine Radfahrer-Karriere etwas anders verlaufen. Vor gut zwei Jahren hatte ich dann mein „Fat Tire Revival“ anstelle eines E-Bikes oder Gravelbikes. Ich bevorzuge eine kleinere Felge mit voluminösen Reifen und einen Stahlrahmen für mehr Komfort. Eine Lenkerbreite von mindesten 780 mm und eine Bremsscheibe vorne mit 180 mm für mehr Kontrolle. Das alles bei wahrscheinlich vergleichbaren Strecken rund um Heidelberg und Speyer.
Ein interessantes Rad, das Du da bei Dir im Blog vorstellst! Aber das wichtigste ist ja wirklich, dass man Spaß am Radfahren hat, egal mit welchem Untersatz. Morgen möchte ich mit meinem Gravelbike bei einer RTF mitfahren – mal sehen, ob ich von den eingefleischten Rennradlern schiefe Blicke ernte …
Tatsächlich habe ich mir auch gerade ein Gravelbike bestellt. Nach etwas Cross-Country in der Jugend und viel Rennrad in meiner Zeit als Fahrradkurier macht so ein Gravelbike dann in meinem Alter irgendwie Sinn :-) Und ich freu mich drauf. Gepaart mit meinen Ultraleicht-Trekking-Know-How wird das bestimmt ne schöne Sache, wenn ich das Dingens mal zum Bikepacken hernehme.
Ah, cool! Was hast Du dir denn für eins bestellt? Und ja, Bikepacking ist ja quasi die ultraleicht Version des Radreisens … Da bin ich im Grunde noch in beiden Sparten ein Greenhorn ;-) Bin ja bisher weder ultraleicht gewandert, noch habe ich jemals eine Reise mit dem Rad unternommen …
Ja, das Gravelbike möchte ich auch nicht mehr missen. Das ist das lange gesuchte Missing-Link und ich genieße jede Ausfahrt damit, manchmal ist auch ein Trail dabei. Mein E-MTB bleibt fast nur noch zu Hause.