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Wandern in Norwegen – Zehn Fragen und Antworten

Wandern in Norwegen, Foto: Martin Hülle

Anfang Juli hatten wir uns auf den Weg nach Norwegen gemacht. Vier Regionen waren unser Ziel, die wir intensiv erleben wollten. Auf Wanderungen in die Bergwelt mit Rucksack, Zelt und allem drum und dran. Aber hat auch alles so geklappt, wie wir uns das zu Hause ausgemalt hatten?

„Wir sind gespannt wie ein Flitzebogen – es ist eine neue Herausforderung für uns. Tagein tagaus auf Tour sein. In der Pfanne Rührei mit Zwiebeln braten und Trek’n Eat aus Beuteln futtern. Über schmale Pfade laufen und über rauschende Bäche springen. Der Natur noch näher kommen als während unserer Familienreisen in den letzten Jahren.“

Zehn Fragen und Antworten sollen Auskunft geben – selbst gestellt und selbst beantwortet …

1. Die Femundsmarka sollte Euer erstes Ziel sein. Wie ist es dort gelaufen?
Tja, da mussten wir direkt Lehrgeld zahlen. Dabei ging es erstmal gut los. Bei bestem Wetter mit der Fähre Fæmund II von Elgå nach Røa. Doch schon am ersten Wandertag plagten uns die Mücken. Selma hatte es besonders schlimm erwischt und sie kratzte sich die Stiche wund. Und wir hatten das Gel gegen Juckreiz im Auto gelassen … Da waren wir froh, als wir aus dem Wald in höhere Lagen kamen, wo ein steter Wind blies, der die Mücken vertrieb.

Über die steinigen Wege war es zudem anstrengend zu laufen und wir mussten den optimistischen Gedanken, ca. sechs Kilomteter pro Tag zu schaffen, schnell begraben. Mehr als drei, vier Kilometer waren nicht drin. Als wir dann oberhalb der Baumgrenze auch noch zwei Tage bei Regen und stürmischem Wind im Zelt festsaßen, war klar, dass wir unser Ziel, Svukuriset, nicht erreichen würden. Daher mussten wir unseren Plan umstellen und haben nach Haugen Gård abgekürzt.

2. Puh, zwei Tage ununterbrochen in einem kleinen Zelt. Was habt Ihr in der Zeit gemacht?
Viel gespielt. Wir hatten Mensch ärgere Dich nicht, Farm Yatzy und Elfer raus! dabei. Dazu immer ein paar kleine Pixi-Bücher. In einer Regenpause bin ich mit Selma einmal schnell um den kleinen See gelaufen, an dem wir das Zelt aufgeschlagen hatten. Später habe ich noch ein Rentiergeweih gefunden, das wir dann wie ein Mobilee im Zelt aufgehangen haben.

3. Als nächstes lockte Euch das Dovrefjell. Habt Ihr dort die Snøhetta bestiegen und auch Moschusochsen gesehen?
Die Moschusochsen haben wir aus dem Bus gesehen, mit dem wir von Hjerkinn zur Hütte Snøheim gefahren sind. Selma meinte, die würde sie bereits aus dem Fernsehen kennen, von Jakari, und war nicht soo interessiert ;-) Naja, das sind zwar Büffel in der Sendung, aber was soll man da schon sagen?

Auf die Snøhetta kraxelte Selma dafür mit vollem Elan hinauf. Im felsigen Gelände suchte sie sich immer den schwersten Weg und wir kamen kaum hinterher. Bis ihr dann auf halber Strecke die Puste ausging. Nina und Selma sind dann wieder abgestiegen und ich bin noch fix allein den Rest zum Gipfel hochgeflitzt.

4. Im Frühjahr war noch sehr viel Schnee in den norwegischen Bergen gefallen. Wie kamt Ihr mit den Bedingungen zurecht?
Oh ja, so viel Schnee habe ich im Sommer in Skandianvien noch nie erlebt. Beim Aufstieg zum Istjørni mussten wir durch einige Schneefelder stapfen und der See selbst war auch noch größtenteils zugefroren. Aber wir fanden dort zwischen viel Geröll einen Platz für unser Basislager zu Füßen der Snøhetta. Das karge Ambiente hatte auch seinen Reiz, nur war hier von Sommer nicht viel zu spüren. Da das Wetter im Dovrefjell sehr mäßig war und sich aus tiefhängenden Wolken immer wieder Regenschauern ergossen, sind wir nicht allzu lang geblieben.

5. In Jotunheimen mit seinen zahlreichen 2000-Meter-Gipfeln sah es dann bestimmt nicht viel besser aus, oder?
Da war tatsächlich noch mehr Winter als Sommer. Aber zuerst haben wir eine Tagestour auf das Bitihorn unternommen. Und dort ist Selma fast alles allein hinaufgestiegen – nur ein kurzes Stück musste ich sie tragen. Die Aussicht über die Valdresflya auf der einen und die majestätischen Berggiganten auf der anderen Seite interessierte sie dann natürlich wenig. Dafür war der Abstieg umso toller – auf dem Hosenboden ist sie die Schneefelder hinabgerutscht und jauchzte dabei: „Das ist klasse!“

6. Übere mehrere Tage seid Ihr in Jotunheimen also nicht unterwegs gewesen?
Doch, allerdings nicht auf der Ostseite, sondern im Westteil. Von der Sognefjellshytta sind wir zum Fuß des Fannaråken gelaufen. Mehr über Schneefelder als Wanderpfade. Auf dem dort einzig flachen Fleck haben wir für ein paar Nächte das Zelt aufgestellt und die Gegend erkundet. Zum Fannaråkbreen sind wir hochgestiegen und haben beobachtet, wie sich eine Gruppe über den Gletscher zur Hütte am Gipfel des Berges aufmachte. Das war für uns natürlich nicht drin und ich bin mit Selma stattdessen auf die vielen großen Felsblöcke geklettert, die rund um unser Zelt lagen. Das hat uns beiden viel Spaß gemacht.

7. Habt Ihr eigentlich immer gezeltet oder auch mal in einer Hütte übernachtet?
Während der Wanderungen haben wir immer das Zelt benutzt – egal wie das Wetter war. Oft war es allerdings gar nicht einfach, geeignete Plätze zu finden. Viele gute Stellen waren noch vom Schnee bedeckt und wir mussten häufig lange nach brauchbaren Flecken suchen.

Nur auf dem Campingplatz bei Florø, wo die mickrige Zeltwiese ziemlich unter Wasser stand und es uns zu matschig war, haben wir einmal eine winzige Hütte für eine Nacht gemietet.

8. Die Gletschergebiete Fjordnorwegens sollten nach den waldigen Regionen und dem kahlen Fjell das Ende Eurer Reise markieren. Ursprünglich wolltet Ihr dort bis zum Gletscherrand des Ålfotbreen aufsteigen – hat das geklappt?
Nein, den Ålfotbreen haben wir recht spontan gegen die Region Stølsheimen eingetauscht. Und das war ein Glücksgriff. Zwar ist das Gelände dort sehr anspruchsvoll mit vielem Auf und Ab, pfadlosen Abschnitten, rauem Gelände mit Bachquerungen und Felspassagen, aber dafür trafen wir keine andere Menschenseele und konnten so richtig eintauchen in die wilde weite Welt, wie wir uns das daheim ausgemalt hatten. Es war die beste Unternehmung der ganzen Reise.

9. Ist denn Selma alles ohne zu Murren mitgelaufen?
Naja, immer natürlich nicht. Als die zerstochenen Beine so juckten, es kalt und nass war, oder nach einigen Stunden Lauferei die Müdigkeit kam, dann mussten wir natürlich unser Motivationsgeschick auspacken oder versuchen, mit Kinderriegeln die Laune hochzuhalten. Aber das ist ja normal. Von Schneefeldern konnte Selma hingegen nicht genug bekommen – da wäre sie am liebsten über jedes drübergelaufen. Und auch ihren kleinen Rucksack mit Kuscheltier und Trinkflasche hat sie meistens selbst getragen – Nina und ich hatten für uns Drei schließlich schon genug zu schleppen.

10. Welche Tipps habt Ihr für andere Eltern und deren Wanderambitionen mit kleinen Kindern?
Habt den Mut, aufzubrechen. Seid flexibel in der Zeiteinteilung und Routenwahl. Nehmt gute Ausrüstung für alle möglichen Situationen und Wetterbedingungen mit. Und denkt daran: Vieles, was Ihr vielleicht als schlimm oder unangenehm betrachtet, empfindet ein Kind ganz anders. Selma machte sich nie einen Kopf über einen erneuten Regentag oder mal wieder recht niedrige Temperaturen …

Als Familie die Wildnis zu entdecken, ist das Schönste, was wir gemeinsam erleben konnten!

Aus dem Projekt und Fotobuch Mein Norden.

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8 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. Geertje sagt:

    Ihr Drei seid richtig toll und inspirierend. Vielen Dank für das „Interview“ mit Euch selbst. Ich kann es gar nicht abwarten, dass wir das zu viert ausprobieren, vielleicht im nächsten Sommer. Bis dahin muss ich die Familie noch ein bisschen coachen. Weiterhin viel Glück wünscht die gesamte Nordicfamily.

  2. Alexander sagt:

    Hallo Martin,

    verrätst Du uns, mit welchem VSCO-Film Du bei dieser Serie gearbeitet hast? Die Farben sind einfach der Hammer.

    Viele Grüße
    Alexander

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