Reisen

Schlechtes Wetter? Kein Problem!

Norwegen Rundreise, Foto: Martin Hülle

Im Frühsommer des letzten Jahres haben wir eine Familienreise durch Norwegen unternommen. Weltuntergangsstimmung, Dauerregen und Tristesse waren unsere ständigen Begleiter. Dennoch war es ein Erlebnis, fünf Wochen im Land der Fjorde, Gletscher und Wasserfälle unterwegs zu sein.

Die Geschichte

Norwegen empfängt uns in Nationaltracht, mit bunten Umzügen und einem rot-weiß-blauen Fahnenmeer. Es ist der 17. Mai: Nationalfeiertag! Aber trotz Sonnenschein und angenehmen Frühlingstemperaturen zieht das Spektakel an uns vorüber, ohne dass ich die Kamera zücke. Von der Fährfahrt nach Kristiansand ist mir speiübel – erst nach ein paar Stunden an Land geht es wieder besser.

Wir stehen am Anfang einer Reise, die uns durch den Süden des Landes führen soll. Entlang der Küste, vorbei an Fjorden und hinein in die Gletscherwelt. Dabei sind wir besonders gespannt, ob unsere Tochter Selma alles problemlos mitmachen wird. Sie ist noch nicht einmal ein Jahr alt. Wie wird es sein, jeden Tag an einem anderen Ort im Zelt zu übernachten und immer weiterzuziehen?

Bereits die ersten Tage sind eine harte Probe. Vorbei am Kap Lindesnes, der südlichen Spitze des norwegischen Festlandes, gelangen wir bei dunklem Regenwetter nach Flekkefjord. Die Natur ist wild und bedrückend. In die engen, dicht bewaldeten Täler fällt zwischen kahlen Bergrücken kaum Licht. Umso mehr genießen wir anderntags eine kleine Wanderung zum Eigerøy Fyr bei Egersund. Weit schweift dort unser Blick vom Leuchtturm über das Meer.

Auf dem Weg zum Lysefjord durchqueren wir die Region Jæren. 600 Grabhügel zeugen vom ältesten Siedlungsgebiet des Landes. Uns lockt jedoch der Preikestolen, eine gut 600 Meter hohe scharfkantige Felskanzel, welche atemberaubend über dem Fjordufer aufragt. Zahllose Wanderer nehmen den steinigen Pfad hinauf auf den „Predigtstuhl“ Jahr für Jahr in Angriff, um einen kühnen Blick hinab zu wagen. Auch wir reihen uns ein – Nina trägt Selma in der Kindertrage auf dem Rücken und ich schleppe die Fotoausrüstung und unsere Verpflegung für den Tag. Dabei lässt der Lysefjord bei der trüben Wetterlage jeglichen Liebreiz vermissen. Eintönig und dunkel liegt der schmale Meeresarm tief unter uns. Ich bin enttäuscht und grummelig. Doch als wir schon wieder dabei sind abzusteigen, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie jemand an der Felskante ausgelassen in die Luft springt. Schnell greife ich nach der Kamera und mache ein paar Fotos. Ein Bild ist okay – die Wanderung hat sich doch noch gelohnt!

Nach zwei Lichtblicken in Stavanger und dem beschaulichen Skudeneshavn – in Form eines liebevoll eingerichteten Cafés und eines sonnigen Bummels durch das mit blitzweißen Fassaden beeindruckende Fischerdorf – erwischt es uns am Hardangerfjord mit aller Macht: Es schüttet wie aus Kübeln. Tagelang. Nach einer unruhigen Nacht auf einer mit Pfützen übersäten Campingplatzwiese beziehen wir eine winzige Hütte direkt am Ufer des Fjords. Wolkenschwaden hüllen die Berge ein, Wind kräuselt das Wasser. Sobald ich in freier Wildbahn ein Foto machen will, sammeln sich ruckzuck unzählige Regentropfen auf der Linse. Eigentlich wollte ich viele Langzeitbelichtungen von Wasserfällen und der Meeresküste machen, doch das Wetter zwingt mich dazu, solche Ambitionen zu begraben und einfach zu nehmen, was kommt.

Und es kommt noch viel. Auch wenn unsere Hoffnung, dass es in fünf Wochen doch irgendwann mal besser werden müsste, immer wieder enttäuscht wird, sehen und erleben wir das Land in seiner ganzen Vielfalt – Superlative eingeschlossen. Unsere weitere Route gen Norden säumen die blau schimmernden Zungen des größten europäischen Festlandsgletschers, des Jostedalsbreen, oder auch die höchste Seeklippe Skandinaviens, Hornelen. Mit der Zeit arrangieren wir uns auch mit dem Regen. Etwas Niesel nehmen wir kaum mehr wahr, freuen uns aber natürlich über jeden Sonnenstrahl, der die Norwegerinnen selbst bei mäßigen zehn Grad Plus dazu verführt, nur mit Hotpants bekleidet überraschend viel braune Haut zu zeigen.

Die kleine Selma stört das miese Wetter am wenigsten. Nicht nur im Zelt ist sie in ihrem Element und wir immer auf Augenhöhe. Das gefällt ihr. Wir müssen als Klettergerüst herhalten und unsere Frühstücksbrote vor ihr verteidigen. Am nebelverhangenen Vestkapp strahlt sie über beide Ohren, während wir mal wieder ungläubige Blicke ernten, als wir mit ihr bei Schmuddelwetter und einstelligen Temperaturen aus dem Auto steigen und komfortverwöhnten Hüttenurlaubern begegnen.

Im Laufe der Zeit bleibt mir als Fotograf nur die Möglichkeit, den Ist-Zustand zu dokumentieren und mich auf die Suche nach ganz anderen als den vorgestellten Motiven zu machen. Mit jedem weiteren trüben Tag, der mir zu Beginn der Reise aufs Gemüt schlug, werde ich gelassener und nehme die Lage als gegeben hin – ob nun an der Schären überspannenden Atlantikstraße, den engen Serpentinen des Trollstigen oder all den vielen weiteren Mosaiksteinen, welche unsere Reise zu einem besonderen Erlebnis machen.

Ein letztes Mal setzen uns die Wetterkapriolen bei der Rückreise in den Süden zu. Norwegens Hauptverkehrsader, die E6, ist überflutet und gesperrt. Die Nachricht schafft es sogar in deutsche Medien und wir müssen uns einen alternativen Weg über rumpelige Schotterpisten bahnen.

Die Reiseroute
Kristiansand – Kap Lindesnes – Eigerøya – Lysefjord und Preikestolen – Stavanger – Skudeneshavn – Hardangerfjord – Bergen – Aurlandsfjord – Lustrafjord – Jostedalen – Solvorn – Fjærland – Florø – Bremangerlandet – Vågsøy – Stadlandet – Westkapp – Ålesund – Atlantikstraße – Molde – Trollstigen – Romsdalen – Valdres – Oslo – Kristiansand

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5 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. Klaus sagt:

    Hallo Martin,

    ich schaue mir gerade im WDR eine Doku über eine Hardangervidda Wintertour von/mit Dir an. Ich hoffe, es geht Dir bald wieder so gut, dass Du wieder sowas machen kannst.

    Gruss
    Klaus

  2. @Klaus
    Es geht schon wieder so gut, dass ich ja auch bereits wieder allein im Norden unterwegs war … Auf der Hardangervidda möchte ich dann im Februar wieder eine Skitour unternehmen und danach im März/April mit einer Wüstenwandern-Gruppe quer durch Island laufen …

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